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Der Eingang zur Siedlung Stețcani in der Nähe von Miclești. | Foto: ©Theodore Donguy Der Eingang zur Siedlung Stețcani in der Nähe von Miclești.

Die Spirale der Unsicherheit führt zur unaufhaltsamen Entvölkerung Moldawiens

Es ist der schlimmste Bevölkerungsrückgang in Europa. Politische Instabilität, schlechte Lebensbedingungen und die Bedrohung durch Russland – für die Einheimischen gibt es viele Gründe, aus Moldawien zu fliehen. Die Ausgewanderten lassen Geisterdörfer zurück.

Veröffentlicht am 22 November 2023 um 19:12
Der Eingang zur Siedlung Stețcani in der Nähe von Miclești. Der Eingang zur Siedlung Stețcani in der Nähe von Miclești. | Foto: ©Theodore Donguy
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Costea Haiducu ist Winzer. Der 60-Jährige wohnt in Stețcani, einem Dorf nördlich von Chișinău, der Hauptstadt von Moldawien. Die Bevölkerung von Stețcani besteht heute nur noch aus 100 Personen – das war nicht immer der Fall: „Die einzigen, die übrig bleiben, sind die 60-Jährigen, wie ich. Die Menschen fliehen aus diesem Land und das macht mich sehr traurig.

In den Dörfern hier ist das zur Norm geworden“, bedauert Haiducu. Sobald die Einwohner*innen die Möglichkeit haben, lassen sie ihre Häuser zurück, in der Hoffnung, in der Hauptstadt oder im Ausland ein besseres Leben zu finden. Alles, was von dieser Massenflucht übrig bleibt, sind Geisterdörfer. 

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 Im Zentrum von Stețcani erklärt Costea Haiducu traurig den Zustand seines Dorfes. | Foto: ©Theodore Donguy

„Nicht nur junge Leute verlassen das Land“, erklärt der Mann in einem verwaschenen Blaumann. Während die meisten Menschen in der Regel versuchen, die Hauptstadt zu erreichen, wählen die wohlhabenderen direkt den Weg nach Westeuropa. Costea ist ein unmittelbares Opfer dieses Exodus: „Meine Frau ist vor zehn Jahren zum Arbeiten nach Italien gegangen. Ich vermisse sie so sehr“. Mit Tränen in den Augen kehrt der alte Mann über die einzige asphaltierte Straße des Dorfes zu seinem kleinen Haus zurück.

Seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 nach dem Zusammenbruch der UdSSR ist das Land, das zwischen Rumänien und der Ukraine eingebettet ist, eines der ärmsten in Europa. Es ist so groß wie Belgien und verfügt über 2,6 Millionen Einwohner*innen, von denen ein Drittel im Ausland lebt und arbeitet. Moldawien war oft zwischen Autoritarismus und Demokratie hin und her gerissen.

Den Preis für diese Instabilität haben die Dörfer des Landes bezahlt: unzureichende Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, das Entstehen sogenannter medizinischer Wüsten und Fehlen öffentlicher Verkehrsmittel. „150 weitere Dörfer könnten bei der nächsten Volkszählung verschwinden“, erklärt der moldawische Demograf Valeriu Sainsus.

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In Miclești, einem Nachbardorf von Stețcani, geht eine Bäuerin ihre Ziegen füttern, denen ein unfertiges Haus als Stall dient. | Foto: ©Theodore Donguy

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