Verschärfung der Kreditvergabe im Osten

Veröffentlicht am 24 November 2011 um 14:19

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Die österreichische Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank ziehen "die Kreditbremse im Osten", schreibt Die Presse. Die beiden Behörden haben beschlossen, von den österreichischen Kreditinstituten eine zwei- bis dreiprozentige Erhöhung des Kernkapitals zu verlangen und die "teils exzessive Kreditvergabe" in der Region zu begrenzen. Diese Maßnahme erfolgt, während die Agentur Moody’s noch die Ratingperspektiven der österreichischen Anleihen untersucht. Wien will seine kostbare Top-Bonität unbedingt halten. In ihrem Kommentar befürchtet die Wiener Tageszeitung "eine bankeninduzierte Staatspleite nach dem Modell Irland", denn die österreichischen Banken haben "nach Jahren des Goldrauschs" knapp 300 Milliarden Euro – mehr als das BIP des Landes – in Mittel- und Osteuropa investiert, doch zwischen sechs und 40 Prozent davon sollen "faule" Kredite sein.

"Die Entscheidung der österreichischen Nationalbank beendet eine Phase der aktuellen Krise und eröffnet wahrscheinlich die nächste", meint die România libera in Bukarest. "Die konkreten Auswirkungen werden hart sein – zusätzlicher Druck auf den Leu, steigende Zinssätze, erschwerte Kreditaufnahme für den Staat –, doch sie können überwunden werden. Schlimmer ist jedoch der Symboleffekt, denn so wird uns bewusst, dass Rumänien nunmehr als Schwellenland mit dementsprechenden Gewinnen und Risiken betrachtet wird. Ein Land, in dem es sich noch lohnt zu investieren, aber nur wenn man weiß, wie man danach wieder herauskommt." Die Bukarester Tageszeitung erinnert daran, dass die guten Zeiten von 2007, als "die griechischen und österreichischen Banker sich um die Präsenz auf dem Markt im Wilden Osten stritten", vorbei sind. "Österreich opfert Rumänien, dessen Bankensystem es zusammen mit Griechenland zu über 50 Prozent hält, um sein eigenes Schicksal zu retten." Kurz, es handle sich hier um "das tragische Ende des Finanzkolonialismus".

Auf tschechischer Seite befürchtet Respekt, "Länder wie Ungarn, Rumänien, Serbien oder die Ukraine werden – zumindest von Seiten der österreichischen Banken – einen brutalen "credit crunch", eine plötzliche Zurückhaltung bei der Kreditvergabe erfahren". Auch Länder wie die Tschechische Republik oder die Slowakei könnten unter den Folgen leiden, da die internationale Presse vergisst, dass dort eine ganz andere Situation herrscht als in den anderen Staaten der Region: "In der Tschechischen Republik und in der Slowakei wird viel gespart. Beide Länder sind relativ unterverschuldet. Nicht nur was die großen Firmen betrifft, [...] sondern auch und vor allem im Sektor der Kleinbetriebe. Zum Beispiel beträgt der Umfang der Hypothekendarlehen in diesen Ländern 25 Prozent des BIP. In Westeuropa liegt er bei 55 Prozent und in Großbritannien bei mehr als 100 Prozent des BIP."

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