investigation Untersuchung zur Green Finance | Zweiter Teil

Wie ein wegen seiner Umweltauswirkungen verpöntes Projekt zum Aushängeschild der europäischen grünen Finanzwirtschaft wurde

Im zweiten Teil unserer Untersuchung über die durch Michelin und BNP Paribas mittels grüner Anleihen (Green Bonds) orchestrierte Finanzierung von Kautschukplantagen in Indonesien zeigen wir, dass der Reifenhersteller die Warnungen von Umweltorganisationen und ‑akteuren ignoriert und bezüglich der Verantwortung seines lokalen Partners für die vorherige Abholzung der betroffenen Gebiete keine Transparenz an den Tag gelegt hat.

Veröffentlicht am 9 November 2022 um 15:39

Kapitel 2

Während sich Europas grüne Finanzwelt wichtig tut, geht es dem indonesischen Wald an den Kragen

Michelin sucht einen „grünen“ Partner in Indonesien

Michelin ist seit mindestens 2004 in Indonesien ansässig und suchte Anfang der 2010er Jahre einen lokalen Partner, um seine Präsenz in Südostasien zu stärken. Daher näherte sich der französische Reifenriese dem indonesischen Konzern Barito Pacific an. Das von dem Milliardär Prajogo Pangestu, der in Indonesien der „Holzkönig“ genannt wird, gegründete und geleitete Konglomerat (das heute auf Petrochemie und Energie spezialisiert ist) hat in Umweltfragen einen zweifelhaften Ruf. (Lesen Sie dazu Kapitel 1).

Laut Glenn Hurowitz, Generaldirektor der NGO Mighty Earth, fand der erste Kontakt zwischen den beiden Unternehmen Mitte 2013 statt, einige Wochen vor einem ersten Besuch von Verantwortlichen des Unternehmens Michelin vor Ort in der Provinz Jambi (Insel Sumatra) im Oktober 2013. Wie Hurowitz Voxeurop anvertraute, wurden ihm diese Daten von Hélène Paul, der damaligen Einkaufsleiterin bei Michelin, bestätigt.

Bei einem Telefongespräch  beschrieb uns Hervé Deguine, Direktor für öffentliche Angelegenheiten bei Michelin, die Entstehung der französisch-indonesischen Partnerschaft folgendermaßen: „Alles begann damit, dass die Mitarbeiter von Barito technische Beratung wünschten, um ihre Naturkautschukproduktion effizienter zu machen. [...] Wir haben eine Zusammenarbeit vorgeschlagen, die auf eine nachhaltige Produktion ausgerichtet ist, damit nicht nur die Unternehmen, sondern auch die lokalen Gemeinschaften davon profitieren.“

Deguine fuhr fort: „Bei meinem ersten Besuch in Jambi im März/April 2014 wurde ich Zeuge einer massiven Entwaldung, größtenteils mafiösen Gruppen zuzuschreiben [...], die sich in großem Stil Land angeeignet hatten.“ Er stellte jedoch klar, dass er nicht persönlich bei Abholzungsaktionen zugegen war, die speziell von Lestari Asri Jaya (LAJ) durchgeführt wurden, der Tochtergesellschaft von Royal Lestari Utama (RLU), an der Michelin im Rahmen eines Joint Ventures mit Barito Pacific bald zu 49% beteiligt sein würde. „Für uns lautete die Frage nicht, wer den Wald gerodet hat“, fuhr er fort, „sondern wie wir Bauern, die immer von der Abholzung gelebt hatten – hauptsächlich, um Ölpalmen anzupflanzen – davon überzeugen konnten, ihre Einkommensquelle zu ändern, indem sie in unseren Produktionsgebieten Kautschukbäume anpflanzen und den verbleibenden Wald schützen, anstatt ihn weiter zu roden.“

Konzessionen von Lestari Asri Jaya und Wanamukti Wisesa in der Provinz Jambi auf der Insel Sumatra.

Im Oktober/November 2014, einen Monat vor der Gründung des Joint Ventures mit Barito Pacific, organisierte Michelin einen weiteren Besuch vor Ort, diesmal in Begleitung von Vertretern des WWF und der britischen Umweltberatungsfirma TFT (aus der inzwischen die in der Schweiz ansässige Stiftung namens Earthworm wurde). „Wir wollten ihre [WWF und TFT] unabhängige Meinung zu den sozialen und ökologischen Aspekten einholen, bevor wir uns auf das Projekt einließen“, erklärte Deguine.

Warnungen von NGOs und unabhängigen Experten

Michelin hatte bei der Firma TFT eine Prüfung der Aktivitäten von Lestari Asri Jaya (LAJ) in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse das Unternehmen im November 2014 erhielt. Dieser Bericht, der nicht veröffentlicht wurde und von dem TFT/Earthworm uns eine Kopie übermittelt hat, zeigt deutlich, was Hervé Deguine offensichtlich nicht gesehen hat.

Das Dokument enthält nämlich visuelle Beweise für die zu dieser Zeit von LAJ durchgeführte Abholzung in Gebieten, in denen später Kautschukplantagen gepflanzt werden sollten, einschließlich Fotos und geografischer Koordinaten der Maschinen, die die Waldgebiete abgeholzt haben, die hätten erhalten bleiben sollen. Einige davon lagen an Flüssen und waren für die lokale Tierwelt von entscheidender Bedeutung, während sich andere sogar an den Grenzen zwischen der Konzession und dem Nationalpark Bukit Tigapuluh befanden. 

Bagger im Einsatz in der Konzession von LAJ am Rande des Nationalparks Bukit Tigapuluh im November 2014.
Rodungsgebiete in der Konzession Lestari Asri Jaya | Quelle: Audit, das TFT im November 2014 an Michelin übergab.

„Nach unserem Audit, bei dem wir Bagger im Einsatz beobachten konnten, mussten wir LAJ bitten, die Rodungen und die Vorbereitung des Geländes auszusetzen, um die Umwelt- und Sozialbewertungen im Auftrag von Michelin durchführen zu können“, sagte Bastien Sachet, Geschäftsführer von TFT/Earthworm, gegenüber Voxeurop.

Was die Absicht betrifft, dort Kautschukbäume anzupflanzen, wo gerade erst Wald gerodet wurde, kam der TFT-Bericht zu dem Schluss, dass „der Versuch, dem Projekt ein positives Image zu verleihen, indem man es als einfache ‚Wiederaufforstung‘ darstellt, Kritik auf sich ziehen würde“. Sachet betonte, dass „Kautschukbäume zwar Bäume sind, ihr Anbau in einer industriellen Plantage aber keine Wiederaufforstung darstellt“.

Mit diesen Schlussfolgerungen war Michelin offenbar nicht zufrieden. Das Unternehmen lehnte Bastien Sachets Vorschlag, den grünen Wandel von RLU zu begleiten, ab und beendete seine Beziehung zu TFT/Earthworm. Im Mai 2015 gab es sogar in einer Pressemitteilung bekannt, dass „das Projekt die Wiederaufforstung von drei Konzessionen [beinhaltete], die durch illegale Abholzung verwüstet wurden“ – ohne jegliche Angaben dazu, wer für diese Abholzung verantwortlich war.

Dabei war das Audit von TFT/Earthworm nicht die erste Prüfung, die wegen der Umweltauswirkungen der Aktivitäten des zukünftigen Partners von Michelin Alarm schlug. Der Bericht eines Zusammenschlusses von NGOs, darunter der indonesische Zweig des WWF, warnte bereits 2010 vor der drohenden Gefahr für den Regenwald in der Konzession von Lestari Asri Jaya, die an den Nationalpark Bukit Tigapuluh auf Sumatra angrenzt. Der Bericht enthüllte, dass mehrere Dörfer in diesem Gebiet über die „von LAJ geplante Abholzung“ besorgt waren.

Im November 2015 war das lokale WWF-Team außerdem an einer Untersuchung beteiligt, die belegte, dass LAJ in einem als Daerah Perlindungan Satwa Liar bekannten Artenschutzgebiet sowie außerhalb seines Konzessionsgebiets illegal Wald abholzt. Diese Enthüllungen kamen nur wenige Monate nach der Unterzeichnung des Joint Venture-Vertrags zwischen Michelin und Barito Pacific und ihrer Verpflichtung zur Nichtabholzung ans Licht.

Schild, das ein als Wildschutzgebiet („Daerah Perlindungan Satwa Liar/DPSL“) ausgewiesenes Areal am Rande von Block 4 der Konzession von Lestari Asri Jaya kennzeichnet, im Januar 2015. | Foto: WWF Indonesien.
Stämme gefällter Bäume im Block 4 der Konzession von Lestari Asri Jaya, im Mai 2015. | Foto: KKI Warsi

Grüne Anleihen um jeden Preis

Offensichtlich hat dies die Verantwortlichen von Michelin nicht davon abgehalten, die Tropical Landscapes Finance Facility (TLFF) zu kontaktieren, eine innovative Finanzierungsplattform für Geschäftsprojekte, die mit dem Pariser Klimaabkommen in Zusammenhang stehen. Diese war gerade erst von der französischen Bank BNP Paribas mit Unterstützung des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), das die Umweltaspekte überwachte, mitbegründet worden. Das Ziel? Die Finanzierung durch grüne Anleihen eines Projekts, dessen Rentabilität stark unter dem Verfall der Preise für Naturkautschuk litt. (Siehe Kapitel 1)

Struktur der TLFF. | Quelle: Mighty Earth

Laut den Informationen, die Voxeurop erhalten hat, versäumte es der Reifenriese, die Umweltgeschichte des Projekts transparent zu machen. Er argumentierte lediglich mit einer vorherigen illegalen Abholzung, um den Weg für eine Rhetorik der „Wiederaufforstung“ und eines Projekts mit positiven Auswirkungen zu ebnen, die später schwarz auf weiß in den Emissionsprospekt der grünen Anleihen aufgenommen werden sollten.

Laut Alex Wijeratna, Kampagnenleiter bei Mighty Earth, „wird die vorsätzliche Umweltzerstörung durch seinen Partner vor Ort Royal Lestari Utama in keiner Mitteilung von Michelin an seine Kunden oder die Inhaber der grünen Anleihen erwähnt. Das Unternehmen war zwar zu dem Zeitpunkt, als diese Abholzungsaktionen stattfanden, rechtlich nicht involviert, aber die Due-Diligence-Berichte zeigen, dass Michelin wusste, was vor sich ging“. Sollten sich die Versäumnisse als wahr erweisen, könnten sie als irreführende Geschäftspraktiken gelten, z. B. nach dem französischen Verbraucherschutzgesetz.

Bastien Sachet von Earthworm sagte gegenüber Voxeurop, er sei „aus persönlicher Sicht“ der Meinung, dass „wenn grüne Anleihen eine Situation aus ökologischer Sicht verbessern sollen, die Anleger im Voraus über die Probleme informiert werden müssen, zu deren Lösung die grünen Anleihen beitragen werden. So hat Michelin uns das Projekt vorgestellt, und ich glaube, so wurde es von dem Unternehmen auch öffentlich präsentiert“.


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Michelin hat das Audit von TFT/Earthworm nie veröffentlicht und weigerte sich, Voxeurop mitzuteilen, ob der Bericht an die Mitglieder der Tropical Landscapes Finance Facility weitergegeben wurde.

Auf Nachfrage erklärte Satya Tripathi, der die Plattform bis 2018 leitete, gegenüber Voxeurop: „Ich erinnere mich, dass ich damals von diesem Bericht gehört habe, aber ich kann mich nicht daran erinnern, ihn selbst gelesen zu haben.“

Johannes Kieft, Generalsekretär der TLFF und Senior-Spezialist für Landnutzung beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP), erklärte gegenüber Voxeurop: „Die TLFF hat sich zur Transparenz verpflichtet,“ und er ist mehr als klar: „Ich wusste von dem Bericht von TFT/Earthworm und der Abholzung durch Lestari Asri Jaya. Das Unternehmen war gesetzlich verpflichtet, den bewirtschafteten Wald zu roden, weil es von der Regierung ermächtigt wurde, die Flächen für industrielle Forstwirtschaft zu nutzen“, nämlich für die Kautschukproduktion. (Lesen Sie das demnächst erscheinende Kapitel 3 über die unklaren rechtlichen Rahmenbedingungen für die Abholzung in Indonesien)

„Wir haben erst nach der Veröffentlichung des Berichts von Mighty Earth [2020] von der Prüfung durch TFT/Earthworm erfahren, da sie von Michelin in Auftrag gegeben und nicht weitergegeben worden war“, bestätigte gegenüber Voxeurop eine Quelle, die für Asia Debt Management (ADM Capital) – eine in Hongkong ansässige Investmentgesellschaft und zusammen mit BNP Paribas Mitbegründerin der Finanzierungsplattform TLFF, die die grünen Anleihen ausgegeben hat – arbeitet und anonym bleiben möchte.

Die Überprüfungen von BNP Paribas, „die Bank für eine Welt im Wandel“

Laut einem Experten, der an dem Projekt mitgearbeitet hat und ebenfalls anonym bleiben möchte, soll BNP Paribas auch von der Abholzung durch Royal Lestari Utama gewusst haben. Derselbe Experte deutete gegenüber Voxeurop an, dass die Schirmherrschaft der Vereinten Nationen die Beteiligten nicht dazu veranlasst hätte, genauer hinzuschauen: „Alle Mitglieder der TLFF waren zuversichtlich, da die Transaktion unter der Schirmherrschaft des UNEP stand und ordnungsgemäß dokumentiert war.“

Voxeurop hatte auch Zugang zum Protokoll eines Treffens, das im Dezember 2020 zwischen den Mitgliedern der TLFF und Alex Wijeratna von Mighty Earth stattfand. Bei diesem Treffen bestritt Robert Barker, der damalige Direktor für nachhaltige Finanzen bei BNP Paribas, dass er von der Beteiligung von Royal Lestari Utama an der Abholzung in Jambi gewusst habe, als er das Due Diligence-Verfahren für die französische Bank koordinierte. „Ich glaube nicht, dass dieser Fall nach dem Prinzip ‚wenn wir damals gewusst hätten, was wir heute wissen‘ beurteilt werden kann“, sagte er und fügte hinzu: „Zu der Zeit, von der wir sprechen, waren die meisten von uns noch nicht in dieses Projekt involviert.“ Robert Barker ist heute unabhängiger Berater.

Vor seinem Weggang von BNP Paribas hat Voxeurop versucht, ihn über mehrere Kanäle zu erreichen – bis jetzt liegt keine Antwort von ihm vor. Die von uns kontaktierte Kommunikationsabteilung von BNP Paribas wollte sich nicht äußern.

Screenshot der Internetseite von BNP Paribas für grüne Anleihen.

Obwohl es Informationen darüber gab, dass ein sehr bedeutender Teil der Fläche für das Plantagenprojekt (siehe Kapitel 1) gerade erst abgeholzt wurde, scheint kein Akteur der TLFF Einwände gegen die von Michelin eingeleitete Umweltzertifizierung erhoben zu haben.

Anleger, die mit ihrem Geld zu einer besseren Welt beitragen wollen, könnten an dieser Stelle beruhigt sein. Beruhte die Umweltzertifizierung nicht auf einer gründlichen und unabhängigen Analyse, die die Berichte der NGOs und von TFT berücksichtigt? Leider hat niemand daran gedacht, dass die Erlangung eines Umweltlabels alles andere als ein Spießrutenlauf ist.

Auf der Jagd nach dem Umweltlabel: Der leichte Weg zu einer grünen Anleihe

Grüne Anleihen werden sowohl für Emittenten als auch für Anleger immer interessanter: „Sie lassen sich teurer verkaufen als ihre nicht-grünen Pendants“, erklärt Caroline Harrison, Researchleiterin bei der Climate Bonds Initiative (CBI), der weltweit größten Plattform zur Beschaffung von Klimaschutzkapital. „Das bedeutet, dass der Emittent für die Aufnahme eines Darlehens geringere Kosten zahlt als bei der Ausgabe konventioneller Anleihen. Für den Käufer wächst der Wert seiner Anlage schneller“, fügt sie hinzu.

Das Erlangen einer Nachhaltigkeitszertifizierung ist jedoch ein freiwilliger Schritt, den kein Gesetz zwingend vorschreibt. Eine solche Zertifizierung verschafft Zugang zum magischen Umweltlabel, das dazu beiträgt, potenzielle Investoren anzuziehen. Dazu muss der Antragsteller lediglich einen qualifizierten Prüfer der International Capital Market Association (ICMA) beauftragen, der bestätigt, dass der Antrag den Grundsätzen für Green Bonds der Vereinigung entspricht. Das Team des Prüfers prüft den Antrag anhand der vom Antragsteller (der gleichzeitig sein Kunde ist) eingereichten Unterlagen sowie der online verfügbaren Informationen. Dabei nimmt es nicht unbedingt Überprüfungen vor Ort vor.

Anschließend wird ein Zertifizierungsbericht ausgestellt. Dieser wird als Second Party Opinion oder SPO bezeichnet und erklärt, warum das Projekt auf dem Papier Vorteile bietet, die den ICMA-Kriterien entsprechen, ohne jedoch zu garantieren, dass dies auch tatsächlich der Fall ist. Der Bericht muss auch alle kontroversen Fragen erwähnen, die den Anlegern offengelegt werden sollten.

Im Jahr 2017 ernannte die TLFF die Sozial- und Umweltratingagentur Vigeo Eiris als Prüfer, und diese gab im Januar 2018, wenige Wochen vor der Ausgabe der Anleihen, grünes Licht. Die Vermögenswerte wurden technisch als nachhaltige Anleihen (eine Unterkategorie der allgemeinen ICMA-Definition von grünen Anleihen) eingestuft. Das Projekt von Royal Lestari Utama zielte nämlich nicht auf eine Verbesserung der Umwelt im engeren Sinne ab, sondern sollte vielmehr eine nachhaltige Landwirtschaft ermöglichen, die die biologische Vielfalt bewahrt und die lokalen Lebensgrundlagen stärkt.

Die potenziellen Investoren wissen nichts von den Umweltkontroversen

Anschließend veröffentlichte BNP Paribas, die für die Vermarktung der Anleihen zuständig war, einen Emissionsprospekt, in dem auf den von Vigeo Eiris erstellten Zertifizierungsbericht der Anleihen verwiesen wird. Um der Investition Glaubwürdigkeit zu verleihen, registriert die TLFF beide Dokumente an der Börse von Singapur, dem wichtigsten Finanzplatz in Südasien. Hier befinden sich die Hauptsitze von Barito Pacific und BNP Paribas für die Region.

Diagramm der Transaktion für die von der TLFF emittierten Anleihen | Quelle: BNP Paribas

Der Zertifizierungsbericht von Vigeo Eiris und der Emissionsprospekt von BNP Paribas sind die beiden einzigen offiziellen Dokumente, auf die sich die potenziellen Käufer der grünen Anleihen der TLFF bei ihrer Investitionsentscheidung beziehen konnten.

Nach den von Voxeurop zusammengetragenen Informationen führte Vigeo Eiris Interviews mit BNP Paribas und Royal Lestari Utama, nicht aber mit Michelin. Der Prüfer war offenbar der Ansicht, dass das indonesische Unternehmen allein für die Geschäftsvorgänge verantwortlich ist.

„Unsere Second Party Opinions basieren [...] auf verschiedenen Arten von Informationen wie Quellen öffentlicher Art oder Dokumenten, die uns von den Emittenten zur Kenntnis gebracht werden“, sagt Tim Whatmough, Vizepräsident für Kommunikation zu Nachhaltigkeit und ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Governance) bei Moody's, einer der größten Ratingagenturen der Welt. Moody's hat Vigeo Eiris im Jahr 2019 übernommen.

Die Prüfung der strittigen Punkte durch den Prüfer basiert auf den zum Zeitpunkt der Bewertung verfügbaren Informationen. Letztendlich entscheidet der Anleiheemittent, welche Punkte offengelegt werden. Die Vertreter von Royal Lestari Utama stellten keine Informationen über die Entwaldung zur Verfügung.

Dies könnte erklären, warum der Prüfungsbericht von TFT/Earthworm nie in die Büros von Vigeo Eiris gelangt ist. „Der Bericht gehörte uns nicht. Er war von und für Michelin in Auftrag gegeben worden“, kommentierte lediglich die Kommunikationsabteilung von RLU gegenüber Voxeurop. Dennoch erscheint die Bewertung von TFT sehr wohl auf der von Royal Lestari veröffentlichten Zeitleiste zur Nachhaltigkeit.

Zeitleiste zum Entwicklungsprojekt von RLU in Jambi. | Quelle: Royal Lestari

Was öffentlich zugängliche Informationen angeht, so war die einzige Quelle, die Vigeo Eiris auswertete, Factiva, eine Datenbank für Wirtschaftsinformationen. In ihrem Bewertungsbericht heißt es: „In den letzten 48 Monaten wurden bei RLU [...] keine strittigen Punkte in Bezug auf ESG-Kriterien festgestellt“. Vigeo Eiris hat hingegen nicht nach Informationen über Lestari Asri Jaya (LAJ), die lokale Tochtergesellschaft von RLU, die für die Abholzung der Wälder in der Provinz Jambi (auf Sumatra) verantwortlich ist, gesucht.

Die Vorgeschichte von Lestari Asri Jaya, der lokalen Tochtergesellschaft von RLU in der Provinz Jambi auf der Insel Sumatra, wird also nicht angeführt, ebenso wenig wie öffentlich zugängliche Ressourcen wie die oben erwähnten Berichte des WWF und anderer NGOs, die die verheerende Umweltbilanz von LAJ aufzeigen.

Trotz der Enthüllungen bleibt das (höchste) Rating für grüne Anleihen unverändert

In einer E-Mail, von der Voxeurop eine Kopie vorliegt, schickte Alex Wijeratna im November 2019 den Bericht von Mighty Earth an Emilie Beral, damals Leiterin der Methodik für nachhaltige Finanzlösungen bei Vigeo Eiris. Ihre Antwort erhält er ... im Januar 2021: „Wir hatten keinen Zugang zu dem Bewertungsbericht, den Earthworm [im November 2014] für Michelin erstellt hat. Der Bericht von Mighty Earth wurde in die Liste der zusätzlichen Quellen aufgenommen [...] Unsere Teams haben die in diesem Bericht erwähnten Unternehmen analysiert und direkt befragt [...], dies wird unsere Bewertung der Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien des Projekts untermauern.“

Bis heute hat Vigeo Eiris/Moody's ihre Bewertung nicht geändert.

Auf die Frage von Voxeurop, ob die von Lestari Asri Jaya durchgeführte Entwaldung ein kontroverser Aspekt sei, den die Projektbeteiligten Vigeo Eiris hätten offenlegen müssen oder den Moody's angesichts der weiteren Entwicklungen nun den Investoren mitteilen sollte, hat Tim Whatmough von Moody's nicht geantwortet.

An dieser Stelle sei angemerkt, dass Moody's die Ratingagentur ist, die den von der TLFF ausgegebenen Anleihen der Klasse A das höchste Rating – AAA – verliehen hat. BNP Paribas gehörte zu den Mitbegründern von Vigeo Eiris und war bis zur Übernahme durch Moody's Aktionär. Dieses Rating ist unter den Anlegern das begehrteste. „Es handelt sich eindeutig um einen Interessenkonflikt, der die Glaubwürdigkeit der freiwilligen Governance grüner Anleihen in Frage stellt“, sagt Alex Wijeratna von Mighty Earth und fügt hinzu: „Wir halten es für einen schweren Fehler, dass Michelin nicht befragt wurde, da das Unternehmen seit 2014 eine zentrale Rolle in dem Joint Venture mit Royal Lestari Utama bekleidet. Aber die Tatsache, dass Vigeo Eiris Lestari Asri Jaya nicht überprüft hat, ist noch unglaublicher, wenn man bedenkt, dass der von der TLFF herausgegebene Emissionsprospekt LAJ eindeutig als operative Tochtergesellschaft von RLU in Jambi identifiziert.“

Voxeurop hat andere von der International Capital Market Association zertifizierte Prüfer befragt. Mehrere waren bereit, uns unter Wahrung der Anonymität zu antworten. Einer von ihnen sagte: „Die Emission von grünen Anleihen weckt bei den Anlegern viele Erwartungen, weshalb wir die Emittenten dazu anhalten, alle Informationen offenzulegen. Im Rahmen unseres Due-Diligence-Verfahrens versuchen wir, herauszufinden, wie das Umfeld vor Beginn der Operation beschaffen war. Sollte nach unserer Bewertung eine verborgene Information auftauchen, würden wir die Verantwortung dafür übernehmen und die Öffentlichkeit darüber informieren, damit die Anleger den Anleiheemittenten fragen können, warum ihnen diese Information nicht mitgeteilt wurde“.

Einem anderen ICMA-Prüfer zufolge „wird derzeit diskutiert, ob die Second Party Opinions überprüft oder einer Revision unterzogen werden sollten. Anleger absichtlich zu täuschen, ist keine langfristige Strategie und schadet dem Ruf der beteiligten Parteien.“

Christa Clapp von Cicero Shades of Green, einer auf grüne Anleihen spezialisierten Beratungsfirma, bestätigt ihrerseits, dass „der Anleiheemittent den Anleger in der Regel über die Auswirkungen des Projekts informiert“. Allerdings, so Clapp, „schließt dies nicht unbedingt frühere Abholzungen ein. Ich denke, dass es sich um eine Schwäche des Marktes handelt“. Sie fügt jedoch hinzu: „Sollten uns nach unserer Bewertung neue Informationen bekannt werden, wären wir verpflichtet, unsere Second Party Opinions zu aktualisieren.“

Umweltbewusste Anleger werden es bedauern, dass die aktuellen Richtlinien der International Capital Market Association eine Überprüfung der SPO nur dann vorschreiben, wenn dies vom Anleiheemittenten selbst beantragt wird.

Der historische Erfolg der grünen Anleihen von RLU in Europa

Während der Kampagne zum Verkauf der Anleihen enthielt sich der WWF International jeglicher öffentlicher Kritik an der von Michelin und TLFF geheim gehaltenen Vorgeschichte der industriellen Entwaldung. In einem Bericht zur Bewertung seiner Partnerschaft mit Michelin im Jahr 2019 erwähnte der WWF zu keinem Zeitpunkt die Verantwortung von Royal Lestari Utama für die Waldverwüstung und sprach lediglich von einer „großflächig abgeholzten und wildtierfeindlichen Umgebung“.

Deckblatt des Zwischenberichts von 2019 über die Partnerschaft zwischen dem WWF und Michelin.

Diese Haltung hat in der NGO Reaktionen ausgelöst. Alex Wijeratna sagte: „Es gab eine Spaltung innerhalb des WWF zwischen dem internationalen Büro und dem indonesischen Zweig. Letzterer war sehr besorgt über die Zerstörung der Landschaft“. Im März 2020 zog sich der WWF aufgrund von „Bedenken bezüglich ihres Engagements für den Naturschutz und ihrer mangelnden Transparenz“ aus dem Projekt zurück, erklärte ein Sprecher des WWF bezüglich Michelin und RLU.

Weit entfernt von den indonesischen Wäldern wurde das Vorhaben jedoch an höchster Stelle gefeiert und wird nun als eines der Vorzeigeprojekte der jungen grünen Finanzwirtschaft in Europa präsentiert.

Im Februar/März 2018 schloss die TLFF ihre Pilottransaktion (TLFF I) mit langlaufenden Anleihen im Wert von 95 Millionen US-Dollar ab (eine zweite Tranche im Wert von 120 Millionen US-Dollar war geplant, wurde aber nie aufgelegt).

Mit dieser historischen Transaktion konnte BNP Paribas beweisen, dass sie weltweit eine Vorreiterrolle im Bereich Green Finance einnimmt. Im Dezember 2017 schlossen sich BNP Paribas und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) unter der Schirmherrschaft des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zusammen, um ihr Programm für nachhaltige Finanzfazilitäten (Sustainable Finance Facilities, SFF) zu gründen, mit dem bis 2025 private Investitionen in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar zur Unterstützung nachhaltiger Geschäftsprojekte in Entwicklungsländern angezogen werden sollen. Bei der Auftaktveranstaltung wurde die TLFF als Startschuss für die Zusammenarbeit des UNEP mit BNP Paribas vorgestellt.

Der französische Präsident Emmanuel Macron bei seiner Rede auf dem One Planet Summit im Dezember 2017. Bei dieser Gelegenheit schlossen sich BNP Paribas und das UNEP zusammen, um ihr von der TLFF inspiriertes Programm Sustainable Finance Facilities ins Leben zu rufen. | Foto: Französische Regierung

Die Vereinten Nationen haben sich mit Michelin zusammengetan, um die Marketingkampagne für grüne Anleihen zu einem Erfolg zu machen. Gabriela Flores, Senior Associate des UN-REDD-Programms, erklärte 2018 öffentlich, dass das von Royal Lestari Utama geleitete Kautschukplantagenprojekt anhand der internationalen Standards für nachhaltige Anleihen geprüft worden sei.

Als Sahnehäubchen stellte die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID) eine Bürgschaft zur Verfügung, die 50 % der Nettoverluste für zwei Drittel des von der TLFF gewährten Kreditbetrags abdeckte. Dank dieser Garantie erhielten die A-Anleihen (die 30 % des Gesamtwerts der Anleihen ausmachen) das höchste Rating AAA.

Diagramm der an der TLFF beteiligten Akteure. | Quelle: Convergence

Auf die Frage von Voxeurop nach dem Bewertungsbericht, den die USAID über das Projekt erstellt hat, äußerte sich Jeff Cohen, der Leiter der Mission der Agentur in Indonesien, ebenfalls nicht zur Verantwortung von RLU für die Entwaldung: „Unsere Teilgarantie für den durch die TLFF vergebenen Kredit hat es RLU ermöglicht, das in der Vergangenheit degradierte Land mit nachhaltig bewirtschafteten Kautschukplantagen wieder instand zu setzen.“ (1)

Ein Drittel der von BNP Paribas verkauften Anleihen der Klasse B wurde von dem in den Niederlanden ansässigen Fonds „&Green“ erworben (für 23,75 Millionen US-Dollar). Dieser Fonds hatte von der UNEP eine Kapitalspritze in Höhe von 2 Millionen US-Dollar erhalten. PG Impact Investments (heute Blue Earth Capital) kaufte Anleihen im Wert von 9,3 Millionen US-Dollar. Die restlichen Anleihen verkaufte die französische Bank an ihr Kundennetz.

Ein gut durchdachtes Geschäft, wie selbst Satya Tripathi, der ehemalige Generalsekretär der TLFF, findet: „Sogar Michelin hat 20 Millionen Dollar in diese Anleihen investiert und konnte so gleichzeitig das Vertrauen der anderen Investoren stärken“.

Ende von Kapitel 2

Im nächsten Teil unserer Untersuchung enthüllen wir mit Unterstützung unserer Partner des Magazins Tempo in Jakarta, wie die unklare Rechtslage und zahlreiche legale Tricks es Barito Pacific, dem Partner von Michelin in Indonesien, ermöglicht haben, auf Kosten der Flora, der Fauna und der lokalen Gemeinschaften seine Ziele zu erreichen.


Fußnoten

1) Neben der USAID weigerten sich auch andere öffentliche und private Agenturen für Entwicklungszusammenarbeit, Voxeurop und Mighty Earth die Due-Diligence-Dokumente zugänglich zu machen, auf die sie ihre Entscheidung, das Projekt nach der Ausgabe der grünen Anleihen finanziell zu unterstützen, gegründet hatten. Dabei handelt es sich insbesondere um die Agence française pour le développement (AFD), die britische Partnerships for Forests (P4F) und die in den Niederlanden ansässige Sustainable Trade Initiative (IDH).

👉 Glossar und Methodik
👉 Lesen Sie Kapitel 1: Wenn die europäische Green Finance die Entwaldung in Indonesien belohnt: Der Fall Michelin

Die Arbeit vor Ort in Indonesien wurde von unserem Medienpartner Tempo geleistet und von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime gefördert. Die Untersuchung wurde auch von der Environmental Reporting Collective, Journalismfund.eu und Mediabridge unterstützt.
Mit Unterstützung von Investigative Journalism for Europe

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