investigation Untersuchung zur Green Finance | Dritter Teil

Wie Michelin und sein indonesischer Partner die Regeln für grüne Anleihen umgangen haben

Royal Lestari Utama, Michelins Partner in Indonesien (heute eine hundertprozentige Tochtergesellschaft), hat es geschafft, seine Kautschukplantagen in Sumatra von umweltbewussten Investoren finanzieren zu lassen. Hierzu verschleierte das Unternehmen seine Verantwortung für die Entwaldung und verstieß damit gegen die internationalen Standards der grünen Finanzwirtschaft, zu deren Einhaltung es sich verpflichtet hatte. Eine Greenwashing-Operation nach allen Regeln der Kunst. Dritter Teil unserer Untersuchung über die grüne Finanzwirtschaft und ihre Schwachstellen in Zusammenarbeit mit dem Magazin Tempo in Jakarta.

Veröffentlicht am 17 November 2022 um 12:54

Kapitel 3

Ein grüner Vorhang verhüllt die Zerstörung der Biodiversität

In den vorangegangenen Kapiteln haben wir gesehen, dass Michelin im Jahr 2018 auf grüne Anleihen zurückgegriffen hat, um die notwendigen Mittel für die Finanzierung der Kautschukplantagen seines neuen indonesischen Partners Royal Lestari Utama (RLU) in der Provinz Jambi auf der Insel Sumatra zu beschaffen. Diese Anleihen wurden von der neu gegründeten Plattform für nachhaltige Finanzierung Tropical Landscape Finance Facility (TLFF) ausgegeben und von BNP Paribas vermarktet. Ihre Übereinstimmung mit den Grundsätzen für Green Bonds der International Capital Market Association (ICMA) wurde von der Sozial- und Umweltratingagentur Vigeo Eiris ausschließlich auf der Basis von durch RLU bereitgestellten Unterlagen zertifiziert. Weder das Unternehmen noch BNP Paribas informierten Vigeo Eiris über die Abholzung in industriellem Ausmaß, die zuvor von der lokalen RLU-Tochter Lestari Asri Jaya durchgeführt worden war und die mehrere NGO bereits angeprangert hatten.


👉 Teil 1: Wenn die europäische Green Finance die Entwaldung in Indonesien belohnt: Der Fall Michelin
👉 Teil 2: Wie ein wegen seiner Umweltauswirkungen verpöntes Projekt zum Aushängeschild der europäischen grünen Finanzwirtschaft wurde

Um den Erfolg eines Vorzeigeprojekts nicht zu gefährden, sollen Michelin und die Gründer der TLFF RLU dabei unterstützt haben, potenziellen Investoren diese Umweltzerstörung zu verbergen – diese wären vielleicht weniger begeistert gewesen, wenn sie davon gewusst hätten. Im Folgenden soll nun erläutert werden, wie dies alles möglich war und warum es angesichts der Regeln der grünen Finanzwirtschaft und der Situation vor Ort in Sumatra niemals hätte passieren dürfen.

Die im Januar 2018 von Vigeo Eiris erteilte „Genehmigung“ ermöglichte die Registrierung der TLFF-Anleihen in der Datenbank der Climate Bonds Initiative (CBI), der weltweit größten Plattform für Klima-Fundraising, denn Vigeo Eiris ist auch von der CBI als Prüfer zugelassen.

Die Akkreditierung der Anleihen zum „Schaufenster“ der klimafreundlichen Anlagen der CBI hat zu ihrem guten Ruf und zu ihrer Sichtbarkeit bei potenziellen Investoren beigetragen. „Wer herausfinden möchte, was grün ist, konsultiert unsere Datenbank. Anleihen, die die Kriterien unserer Datenbank nicht erfüllen, können nicht in Green Bond-Indizes [die den Anlegern angebotenen Zusammenstellungen von Anleihen] aufgenommen werden“, erklärte Caroline Harrison, Researchleiterin bei der Climate Bonds Initiative, gegenüber Voxeurop. Dies wurde von Alex Wijeratna von der Umwelt-NGO Mighty Earth bestätigt: „Portfoliomanager können davon ausgehen, dass sie nichts zu fürchten haben, wenn die TLFF-Anleihen in einem angesehenen grünen Index enthalten sind.“

Die CBI war der Ansicht, dass der durch die Plantagen von Royal Lestari Utama erzielte Nutzen dem Klimaschutz dient, da der Anbau von Kautschukbäumen eine direkte Kohlenstoffsequestrierung ermöglicht. Außerdem verbessert die Einbeziehung der lokalen Bauern in die Kautschukproduktion neben dem Anbau von Nahrungsmitteln ihre Lebensbedingungen und verhindert, dass sie ihre landwirtschaftlichen Flächen auf Kosten von Waldgebieten weiter ausdehnen müssen.

Die CBI stützte sich auf die mangelhafte Bewertung von Vigeo Eiris (siehe Kapitel 2) und unterstützte die Anleihen der TLFF, ohne jedoch die durch die frühere Abholzung freigesetzten Treibhausgase zu berücksichtigen. Von dieser Abholzung konnte sie nichts wissen, da RLU und BNP Vigeo Eiris nicht über sie informiert hatten.


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Darüber hinaus hielt die Methodik der CBI im Agrarsektor eine Reduzierung der Emissionen während des Investitionszeitraums, der offiziell im Jahr 2018 (Auflegungsdatum der Anleihen durch die TLFF) begann, für ausreichend. Wir haben dagegen erfahren (siehe Kapitel 1), dass ein Teil der grünen Anleihen rückwirkend die Rodung mitfinanziert hat, die vor dem Joint Venture zwischen Michelin und Barito zur Freisetzung von CO2 beitrug.

Ein Verstoß gegen die Grundsätze für grüne Anleihen

In einem Schreiben an die Climate Bonds Initiative vom März 2021 forderte Mighty Earth diese auf, die TLFF-Anleihen aus ihrer Datenbank zu entfernen. Die Umwelt-NGO argumentierte, dass „die Nichtoffenlegung der wesentlichen Information im Emissionsprospekt, dass die Tochtergesellschaft des Michelin-Partners [Royal Lestari Utama] einer der Hauptverantwortlichen für [...] die Entwaldung in ihren Konzessionen in Jambi war [...] eine äußerst schwerwiegende und irreführende Unterlassung und [...] einen erheblichen Verstoß gegen die Grundsätze für grüne und nachhaltige Anleihen darstellt“, die von der ICMA verfasst wurden und eine transparente Information über die Umweltrisiken in Verbindung mit den finanzierten Projekten fordern (1).

Laut einem ICMA-Experten für nachhaltige Finanzen, der anonym bleiben möchte, „müsste klar sein, dass Landumwandlung und Entwaldung nicht den Grundsätzen grüner Anleihen entsprechen, selbst wenn man davon ausgeht, dass das [Ergebnis am] Ende grün ist, wie z. B. im Fall von nachhaltiger Landwirtschaft. Externe Prüfer und Investoren würden dies wahrscheinlich nicht begrüßen [weil] ihr Ruf darunter leiden könnte“.

„Wir führen keine Prüfungen vor Ort durch, sondern verlassen uns auf unabhängige Prüfer. In diesem Fall waren die Anleihen Gegenstand einer Second Party Opinion [Prüfung durch die Sozial- und Umweltratingagentur Vigeo Eiris], und die Originaldokumente enthielten keinerlei Hinweis auf eine Abholzung“: So kommentierte Sean Kidney, Geschäftsführer der Climate Bonds Initiative, für Voxeurop die Initiative von Mighty Earth. Er fügte hinzu: „Wenn wir hingegen durch unsere eigenen Quellen in Indonesien herausfinden, dass es ein Problem gegeben hat, dann werden wir die Anleihen einfach von unserer Liste streichen. Denn gemäß unserer Rückwirkungsfrist darf in den letzten zehn Jahren keine Entwaldung stattgefunden haben.“ Da Michelin den Anlegern ihre Anleihen bereits zurückgezahlt hat, käme jegliche Maßnahme der CBI  zu spät.

Beim European Primary Market Forum der ICMA am 8. November anlässlich der COP 27 ging es um die Emission nachhaltiger Anleihen – Quelle

„Unsere Datenbank kann Anleihen akzeptieren, die den nachhaltigen Übergang von Agrar- und Lebensmittelunternehmen unterstützen, die in der Vergangenheit Landumwandlungen durchgeführt haben – vorausgesetzt, diese haben schon lange vorher stattgefunden –, aber keine Anleihen, mit denen Unternehmen finanziert werden, die kurz vor der Veröffentlichung einer ‚Nicht-Abholzungspolitik‘ den Wald gerodet haben. Dies würde nämlich eine Manipulation des Systems darstellen, die darauf abzielt, auf unfaire Weise an das Geld der Anleger zu gelangen. Es wäre die Aufgabe der qualifizierten Prüfer der ICMA, derartige unbeabsichtigte Konsequenzen zu vermeiden“, erklärte Paul Vermaak, Direktor für Standards bei der CBI, gegenüber Voxeurop.

Sean Kidney, Geschäftsführer und Mitbegründer der Climate Bond Initiative, beim Forum über Klimainvestitionen im Rahmen der COP27 in Sharm el-Sheikh (Ägypten), am 14. November 2022. | Foto: Emanuela Barbiroglio

Er erläuterte weiter: „Wenn das Unternehmen das Land abgeholzt hat, bedeutet dies, dass es hohe [CO2]-Emissionen verursacht und einen Lebensraum mit hoher Kohlenstoffbindung beseitigt hat, bevor dieser durch landwirtschaftliche Produktionsaktivitäten mit geringerer Kohlenstoffbindung ersetzt wurde. Ein solches Szenario steht implizit nicht im Einklang mit unserer Taxonomie(2). Vermaak fügte hinzu, dass die CBI sich verpflichtet hat, ihre Bewertungskriterien zu überarbeiten, um in Zukunft alle Projekte auszuschließen, die nicht dem Grundsatz der „Vermeidung erheblicher Beeinträchtigungen“ („Do No Significant Harm“, DNSH) entsprechen (3).

Es wäre also vertretbar, die Verschleierung der industriellen Abholzung, die dem Joint Venture zwischen Michelin und Barito Pacific vorausging, als Verstoß gegen die von der International Capital Market Association und der CBI festgelegten Richtlinien für Green Bonds zu bezeichnen. Dies würde auch die Einhaltung der Leistungsstandards für ökologische und soziale Nachhaltigkeit durch Royal Lestari Utama gefährden, die von der International Finance Corporation (IFC), der Sparte der Weltbankgruppe für Investitionen in den privaten Sektor, aufgestellt wurden.

Die Umwelt-, Sozial- und Governance (ESG)-Kriterien, die im Emissionsprospekt der grünen Anleihen aufgeführt sind, erklären jedoch die vollständige Übereinstimmung mit den ICMA-Prinzipien und den IFC-Standards. Royal Lestari Utama hätte daher die gleichen ökologischen und sozialen Anforderungen erfüllen müssen, die an Unternehmen gestellt werden, die sich um eine Finanzierung durch die IFC bewerben. In ihrer Second Party Opinion, ihrem Audit, machte Vigeo Eiris deutlich, dass der ökologische Nutzen des Projekts „von der Umsetzung der [...] Leistungsstandards der IFC abhängt“.

Im Kapitel über die Erhaltung der biologischen Vielfalt werden Projekte, die zu einem Nettoverlust an biologischer Vielfalt führen, auf die schwarze Liste gesetzt. Dieser Begriff umfasst alle natürlichen Wälder, die einen wichtigen Lebensraum für bedrohte Arten oder einheimische Gemeinschaften darstellen.


„Man kann mit vollem Recht behaupten, dass diese grünen Anleihen das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Jagd nach Finanzierung sind, die zu einer weiteren Zerstörung von Lebensräumen anspornt, für die Michelin mitverantwortlich ist.“

Alex Wijeratna, Mighty Earth

Ohne sich speziell auf das Projekt von Royal Lestari Utama zu beziehen, deutete die Pressestelle der IFC implizit an, dass das Projekt des Joint Ventures durchaus unter diese Non-Compliance-Klausel fallen könnte. In einem E-Mail-Austausch mit Voxeurop stellte sie klar, dass „die Umsetzung des nationalen Rechtsrahmens“ und „die Nicht-Abholzungspolitik des Unternehmens keine Rolle spielen [...], d.h. es ist nicht von Bedeutung, ob das Unternehmen eine solche Politik oder eine Rodungsgenehmigung hatte (wenn es den Lebensraum zerstört hat), es muss trotzdem beweisen, [...] dass sein Projekt nicht zu einem Nettoverlust (an Biodiversität) geführt hat [...]“, um den IFC-Standards zu entsprechen.

Insbesondere ist die IFC der Ansicht, dass die Unternehmen für jeden Verlust an Biodiversität verantwortlich sind, den sie durch die absichtliche Schädigung eines natürlichen Lebensraums „in Erwartung der Finanzierung durch einen Kreditgeber [...] für das Projekt“ verursachen.

Schnellstmöglich abholzen, um direkt wieder neu zu pflanzen

Wie aus dem vertraulichen Bericht des Beratungsunternehmens TFT/Earthworm hervorgeht, der Voxeurop vorliegt, hat Lestari Asri Jaya (LAJ), die Tochtergesellschaft von Royal Lestari Utama (RLU), die eine der Konzessionen in Jambi betreibt, nämlich bis Ende 2014 weiter gerodet. Laut dem Emissionsprospekt der grünen Anleihen sowie dem letzten unabhängigen Bericht über den Umweltschutz in der Konzession von LAJ, der im Mai 2022 von Remark Asia und Daemeter Consulting veröffentlicht wurde, hat die Anpflanzung von Kautschukbäumen dort zwischen Anfang 2013, als Michelin die Konzession zum ersten Mal besuchte, und Ende 2014, als das Joint Venture unterzeichnet wurde, sogar explosionsartig zugenommen (4).

Konzessionen von Lestari Asri Jaya und Wanamukti Wisesa in der Provinz Jambi, auf der Insel Sumatra.

„Das Joint Venture Michelin-Barito Pacific hatte von Anfang an geplant, neue Finanzierungen zu suchen“, sagte eine mit dem Royal Lestari Utama-Projekt vertraute Quelle, die anonym bleiben möchte, gegenüber Voxeurop: „Aber die Banken betrachteten die Kautschukplantagen nicht als ausreichende reale Vermögenswerte, um eine Hypothekensicherheit zu stellen, wie es das Joint Venture gehofft hatte, und zwar“, so fügte sie hinzu, „weil das Land der Regierung gehört und diese RLU eine Lizenz für einen begrenzten Zeitraum erteilt hat.“

Alex Wijeratna von Mighty Earth sagte: „All dies ist ein ausreichender Beweis dafür, dass die Umwandlung von Wald in Kautschukplantagen in Erwartung des Abkommens, das Michelin und Barito Pacific monatelang ausgehandelt hatten, beschleunigt wurde. Offensichtlich bestand die Absicht der Unternehmen gerade darin, die Plantagenfläche zu maximieren, um die Finanzierung ihres Projekts zu sichern, das in Wirklichkeit schon lange vor dem Joint Venture und der Nichtabholzungserklärung von RLU begonnen hatte.“

Der Emissionsprospekt der von BNP Paribas vermarkteten grünen Anleihen bestätigt in der Tat, dass die Gesamtproduktion auch die vor 2015 gepflanzten Kautschukbäume umfasst. Diese machen zum Zeitpunkt der Ausgabe der Anleihen mehr als die Hälfte der umgewandelten Flächen aus.

Wijeratna schlussfolgert: „Man kann mit vollem Recht behaupten, dass diese grünen Anleihen das Ergebnis einer von langer Hand geplanten Jagd nach Finanzierung sind, die zu einer weiteren Zerstörung von Lebensräumen anspornt, für die Michelin mitverantwortlich ist.“(Karte 1)

Die Entscheidung, den Wald zu roden, um dort Kautschukbäume anzupflanzen, scheint nicht einmal nach der von der IFC vorgesehenen Ausnahmeregelung zulässig zu sein, denn diese besagt, dass „eine [...] erhebliche Beeinträchtigung des natürlichen Lebensraums nur dann stattfinden darf, wenn“ das betreffende Unternehmen „nachweisen kann, dass es für das Projekt keine tragfähige Alternative gibt“. Tatsächlich geht aus dem Bericht von Remark Asia und Daemeter Consulting über LAJ hervor, dass im Jahr 2010 mehr als 17.000 Hektar offene Fläche und Buschland (27 % der Konzession) für die Anpflanzung von Kautschukbäumen zur Verfügung standen.

„Ab 2014 beobachteten wir bei unseren aufeinanderfolgenden Besuchen vor Ort Gebiete, die gerodet und mit Kautschukbäumen bepflanzt worden waren, obwohl sie für den Kautschukanbau ungeeignet waren. Umgekehrt wurden andere, besser geeignete Gebiete nicht bewirtschaftet“, bestätigte Hervé Deguine, Direktor für öffentliche Angelegenheiten bei Michelin, gegenüber Voxeurop. „RLU musste unabhängig von der Situation vor Ort einen Regierungsplan befolgen, den das Unternehmen dann aber häufig angefochten hat. Dieser sollte verhindern, dass weiterhin an Orten gepflanzt wird, die aus landwirtschaftlicher Sicht nicht geeignet sind“, fügte er hinzu.

All dies läuft darauf hinaus, dass das Projekt von Royal Lestari Utama nicht strikt den Standards der International Financial Corporation entspricht. Diese Standards würden dem Unternehmen den Verlust an Biodiversität anlasten, den es durch die Rodung des Waldes und die Vernachlässigung geeigneterer Alternativen verursacht hat, bevor es nach der Unterzeichnung des Joint Ventures seine Nicht-Entwaldungspolitik verabschiedete.

Palm oil plantation and cleared area for rubber trees planting in LAJ concession in Jambi, Sumatra.
Ölpalmenplantage (links) und für die Anpflanzung von Kautschukbäumen gerodetes Gebiet in der Konzession von LAJ in Jambi, im Februar 2022. | Foto: Tempo
Kautschukplantage in der Konzession von LAJ in Jambi. | Foto: Tempo
Gewinnung des Hevea-Safts in der Konzession von  LAJ in Jambi. | Foto: Tempo

Eine „natürliche“ Entwaldung, die Michelin und seinem Partner sehr gelegen kommt

In einer Antwort, die einige Wochen nach dem Bericht von Mighty Earth veröffentlicht wurde, der das Ausmaß der von Lestari Asri Jaya in seiner Konzession in Jambi durchgeführten Abholzung aufdeckte, stellte Royal Lestari Utama klar, dass die industrielle Abholzung vor der Unterzeichnung des Joint Ventures nur Gebiete betraf, die „zum Zeitpunkt der ursprünglichen Vergabe dieser Lizenzen bereits als degradiert, bewirtschaftet oder als Strauchland galten“.

Deguine bestätigte gegenüber Voxeurop, dass Michelin sich immer noch zu der Position bekennt, die RLU vor der Übernahme durch den französischen multinationalen Konzern zum Ausdruck gebracht hatte: „Ob Michelin Minderheitsaktionär ist wie in der Vergangenheit oder Alleinaktionär, wie es jetzt der Fall ist, ändert an diesem Standpunkt nichts“, sagte er.

Johan Kieft, Generalsekretär der TLFF und UNEP Senior Technical Expert for Land Use and Green Economy, schloss sich seinerseits Royal Lestari an: „RLU hat nur Gebiete gerodet, die auf der Grundlage einer unabhängigen Überprüfung und Überwachung als Gebiete mit geringer Biodiversität oder geringem Wert [für die Kohlenstoffspeicherung] identifiziert wurden.“ Kieft hat uns eine Präsentation übermittelt, die seine Behauptungen jedoch nicht bestätigt.

Solche Behauptungen können den falschen Eindruck erwecken, dass der Lebensraum vor der Intervention von RLU bereits so stark degradiert war, dass die industrielle Abholzung nicht zu einem wesentlichen Verlust an Biodiversität geführt hat.

Genau so interpretierte die Climate Bond Initiative den Fall: „Nach der Beschwerde von Mighty Earth haben wir uns erkundigt, und es scheint, dass das kleine Gebiet, um das es geht, degradiertes Land war, das anschliessend in eine Kautschukplantage umgewandelt wurde“, so Sean Kidney, Geschäftsführer der CBI, gegenüber Voxeurop.

Die International Finance Corporation behauptet jedoch, dass „die vom Menschen verursachte Veränderung des Lebensraums [...] nicht unbedingt ein Indikator für seinen Biodiversitätswert ist“ und „wenn der Lebensraum nach Meinung eines kompetenten Fachmanns noch [...] ein oder mehrere einheimische Ökosysteme enthält, sollte er unabhängig vom Grad der Verschlechterung als natürlicher Lebensraum betrachtet werden“.

Tatsächlich bestätigten Umweltexperten und Dokumente, die Voxeurop eingesehen hat, dass das von Lestari Asri Jaya gerodete Gebiet (Karte 2) noch immer ein integraler Bestandteil des Waldhabitats des Nationalparks Bukit Tigapuluh war, den die indonesische Regierung selbst als lebenswichtig für bedrohte Arten eingestuft hatte (Karte 1) (Siehe Kapitel 4, das in Kürze erscheint).

Karte 1: Waldhabitat von Bukit Tigapuluh (gelb umrandet), einschließlich des gleichnamigen Nationalparks (blau umrandet) und der umliegenden Wälder (grün), wie vom WWF und lokalen NGOs im Jahr 2009 vorgeschlagen, um die Biodiversität und Kohlenstoffsenken zu erhalten, und von den indonesischen Naturschutzbehörden im Prinzip anerkannt. Die rote Linie markiert Block 4 der LAJ-Konzession, der sich teilweise mit dem Waldökosystem überschneidet. | Quelle: ​​KKI Warsi / Frankfurt Zoological Society / Eyes on the Forest / WWF-Indonesia 
Karte 2: Von RLU abgeholzte Gebiete (orange umrandet), um Platz für Kautschukplantagen zu schaffen, in den Konzessionen von LAJ und WMW im Jahr 2009. Der Streifen des Blocks LAJ 4 am Rande des Nationalparks Bukit Tigapuluh (mit der grünen Linie markiert) liegt innerhalb des Waldökosystems, das geschützt werden sollte (mit der roten Linie markiert). | Quelle: MapHubs/Mighty Earth
Karte 3. Ausdehnung des Waldes in den Konzessionen Lestari Asri Jaya und Wanamukti Wisesa im Januar 2015. Die Rodungen (einschließlich der von RLU durchgeführten) betrafen auch den Streifen (rot) am Rande des Nationalparks Bukit Tigapuluh, der zum Waldökosystem gehört. | Quelle: MapHubs/Mighty Earth

Royal Lestari Utama hätte somit ein Ökosystem geschädigt, das zwar bereits degradiert war, aber im engeren Sinne noch einen Wald und einen natürlichen Lebensraum darstellte, und somit weder die Standards für grüne Anleihen der International Capital Market Association und der Climate Bonds Initiative noch die Standards für die Umweltleistung der International Finance Corporation eingehalten, die das Unternehmen gegenüber den Investoren hätte erfüllen müssen.

 Ende von Kapitel 3

Im nächsten Kapitel unserer Untersuchung werden wir sehen, wie es Royal Lestari Utama gelang, Genehmigungen für die Nutzung von Holz zu erhalten, das aus der Abholzung von Gebieten stammt, die ein primäres Ökosystem und bedrohte Arten beherbergen, und diese dann mit Kautschukbäumen zu bepflanzen, die das Unternehmen zum Teil durch die von seinem Partner Michelin erhaltenen grünen Anleihen finanzieren ließ.


Fußnoten

1) Diese Grundsätze „unterstreichen die Forderung nach Transparenz, Genauigkeit und Integrität der Informationen, die von den Emittenten an die Beteiligten weitergegeben und in die Berichterstattung aufgenommen werden“. Sie besagen: „Der Emittent einer grünen Anleihe wird nachdrücklich aufgefordert, den Anlegern [...] zusätzliche Informationen über die Verfahren zur Verfügung zu stellen, mit denen der Emittent die mit dem/den betreffenden Projekt(en) verbundenen sozialen und ökologischen Risiken ermittelt und steuert.“

2) Die Taxonomie für Klimaschutzanleihen „identifiziert die Vermögenswerte und Projekte, die für eine kohlenstoffarme Wirtschaft erforderlich sind, und gibt Kriterien für die Auswahl von Treibhausgasemissionen vor, die mit dem im Pariser Abkommen von 2021 festgelegten Ziel einer globalen Erwärmung um 2 Grad vereinbar sind.“   

3)Dieser wurde in die Umwelttaxonomie der EU aufgenommen, um im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität einen effektiveren Schutz der Biodiversität zu gewährleisten.

4)Von 882 Hektar, die in Plantagen umgewandelt wurden, Ende 2012 auf 5782 Hektar Ende 2014.

👉 Glossar und Methodik
👉 Kapitel 1: Wenn die europäische Green Finance die Entwaldung in Indonesien belohnt: Der Fall Micheli
👉 Kapitel 2: Wie ein wegen seiner Umweltauswirkungen verpöntes Projekt zum Aushängeschild der europäischen grünen Finanzwirtschaft wurde

Die Arbeit vor Ort in Indonesien wurde von unserem Medienpartner Tempo geleistet und von der Global Initiative Against Transnational Organized Crime gefördert. Die Untersuchung wurde auch von der Environmental Reporting Collective, Journalismfund.eu und Mediabridge unterstützt.
Mit Unterstützung von Investigative Journalism for Europe

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