Wie zu erwarten war, löste das von der Abgeordneten der Nationalen Liberalen Partei Alina Gorghiu vorgeschlagene Gesetz eine Protestwelle in der Gesellschaft und den Medien aus, die den Vorschlag für aberwitzig halten.
Im Zentrum der Debatte steht allerdings nicht die Tatsache, dass der Täter sich nun seine Unschuld erkaufen kann, die Vergewaltigung mit einem Preisetikett ausgestattet wird oder das Gesetz verfassungswidrig ist. Nein, der Kern des Problems ist, dass Opfer und Täter das Ausgleichsverfahren in Anspruch nehmen müssen, diese Pflicht jedoch nicht eindeutig geklärt ist.
Alina Gorghiu meint, das Opfer sei nicht gezwungen, an einem Informationsgespräch oder einer Mediation teilzunehmen, während der Sprecher des rumänischen Rats für Mediation behauptet, das Informationsgespräch sei obligatorisch.
Merkantilistisch oder vorteilhaft?
Wer vom Prinzip ausgeht, dass er besser weiß, was für das Opfer gut ist als das Opfer selbst, öffnet Missbrauch Tür und Tor. Dahingegen basiert der Ausgleich zwischen Täter und Opfer auf den Grundsätzen der sogenannten „Restorative Justice“, in der die Wiedergutmachung im Vordergrund steht und die Bürger stärker als der Staat in die Rechtsprechung einbezogen werden.
Bei einer Mediation gibt der Täter seine Schuld zu und das Opfer erklärt, wie der von ihm erlittene Schaden wieder gutgemacht werden soll. In Rumänien kann das Opfer eine Entschuldigung oder eine finanzielle Entschädigung verlangen, während es in den USA höhere Ansprüche stellen kann wie zum Beispiel den Umzug des Täters in ein anderes Stadtviertel.
Einige Studien zeigen, dass diese Art der Justiz die Wiedereingliederung der Opfer in die Gesellschaft erleichtert, weil sie meistens den Eindruck haben, dass sie gerecht entschädigt wurden. Außerdem soll die Rückfallquote der Täter sinken.
Aberwitzige Gesetzgebung
Vergewaltigung ist ein Verstoß gegen den Willen einer anderen Person. Eine Person unterwirft eine andere ohne deren Einwilligung auf gewaltsame Weise. Obwohl wir das wissen, verlangen wir von den Opfern, langwierige Verfahren zu erdulden. Dabei wird das Ungleichgewicht zwischen Täter und Opfer weiter verstärkt, wo doch eigentlich dem Schwächeren geholfen werden sollte. Wer die Mediation verpflichtend einführen will, vergisst die Rolle des Staats, der den Bürger schützen und seine Freiheit respektieren muss.
Außerdem verlangt der Europarat in seiner Empfehlung bezüglich des neuen Gesetzes, dass dem Opfer die Möglichkeit eines Ausgleichs angeboten werden muss, dass es aber nicht dazu gezwungen werden darf, dieses Verfahren in Anspruch zu nehmen.
Die Diskussionen zur Änderung des Gesetzes über die Mediation sind typisch für das Niveau der öffentlichen Debatte in Rumänien. Die Journalisten sind daran gewöhnt, dass die Entscheidungsträger aberwitzige Gesetze aushecken, deshalb kritisieren sie sie. Dazu kommt noch, dass immer noch nicht klar ist, ob das Gesetz nun für alle gilt oder nicht. Gute Absichten ohne entsprechende Folgen schaden mehr als sie nutzen. (cr)
STANDPUNKT
Entspricht das Gesetz der Mentalität?
„Wir müssen darüber nachdenken, wie die rumänische Gesellschaft dieses Gesetz annehmen kann und ob es der Mentalität dieses Volks entspricht“, meint Andrei Nistor in einem Gastkommentar im wöchentlich erscheinenden Wirtschaftsmagazin Capital. Der skeptisch eingestellte Rechtsanwalt ist der Ansicht, dass „die Mediation [von der Öffentlichkeit] voll unterstützt werden muss, wenn sie in diesem sehr starren System Erfolg haben soll“. Nistor zufolge dürfte das Gesetz „nichtsdestotrotz einen Fortschritt darstellen, was die Entlastung der Gerichte betrifft“. Scheidungen oder Teilungsverfahren könnten so gewiss schneller gelöst werden.