"Weisen sich die Europäer jetzt schon gegensetig aus?", Karikatur von Glez, Le Journal du jeudi (Wagadugu).

Frankreich im Kreuzfeuer der Kritik

Überall in Europa sieht man die massiven französischen Roma-Abschiebungen nach Bulgarien und Rumänien zunehmend kritisch.

Veröffentlicht am 26 August 2010 um 14:04
"Weisen sich die Europäer jetzt schon gegensetig aus?", Karikatur von Glez, Le Journal du jeudi (Wagadugu).

In Rumänien beklagt Jurnalul National, dass Westeuropa "ihre Roma und andere Kriminelle" wieder "in die Mülltonne Europas" schicken wolle. Das Blatt verweist darauf, dass bereits während des Zweiten Weltkriegs Rumänien und Bulgarien deportierte Roma aufgenommen haben. Die ZeitungbezeichnetNicolas Sarkozy als "das schwarze Schaf Europas". Für Evenimentul Zilei sieht es aus, als seien, "die Zigeuner die gefährlichsten Menschen der Welt" und fordert, "dass die Politik von diesen Klischeevorstellungen ablässt". Seit dem 28. Juli seien 681 Roma nach Rumänien abgeschoben worden; seit Anfang des Jahres mehr als 4000.

Die auf die Beziehungen der EU mit Südosteuropa spezialisierte Website WAZ EUobserver stellt fest, dass die neue Abschiebewelle aus Frankreich "von den Rumänen mit einer Gleichgültigkeit aufgenommen worden ist, die sich gelegentlich in eine offenen Feindseligkeit gegenüber einer sozialen Randgruppe wandelt." "Mit den Abschiebungen befindet sich Frankreich im populistischen Fahrwasser Italiens", meint El País, "denn der Rechtstaat dient hier den Interessen der politischen Führung und nicht dem Prinzip von Gleichheit und Gerechtigkeit."

Auch in Frankreich sind die Reaktionen heftig: Libération sprichtvon "Frankreich am Pranger" und notiert, dass "das schlechte Bild, das Frankreich unter Sarkozy abgibt, nicht nur ein Bild ist, sondern auch eine erlebte Wirklichkeit, von der die internationale Presse Tag für Tag berichte", was das Blatt mit einigen Kommentaren aus der internationalen Presse dokumentiert.

Trouw schreibtharsch, dass die Abschiebungen "schlicht dem europäischen Gleichheitsprinzip widersprechen". Deshalb "muss die Europäische Kommission Frankreich zur Rechenschaft ziehen." "Sarkozy düpiert eine ganze Nation", führt die niederländische Tageszeitung fort.

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Für die österreichische Presse ist das für den 6. September in Paris vorgesehene "Treffen zur illegalen Einwanderung" "nicht nur ein Faustschlag für die Bemühungen Brüssels, die Einwanderung auf EU-Ebene zu koordinieren". Es werde eines der "wichtigsten Grundprinzipien der EU hinterfragt: Die Freiheit für EU-Bürger, sich innerhalb der Union aufhalten zu können. Es wäre gut, wenn andere EU-Staaten die Franzosen daran erinnern. Indem sie etwa nicht am Pariser Gipfel teilnehmen." Der Standard aus Wien prangertdie "Heuchelei" der Medien und Regierungen an, die Paris heute kritisieren. Das Blatt erinnert daran, dass Frankreich und andere Länder Roma schon seit Jahren ausweisen, wie es den Publikationen des Roma-Rechts-Zentrums in Budapest nachzulesen sei.

Im Grunde, fasst es die deutsche Wochenzeitung Freitag zusammen, "ist diese Aktion Sarkozys ein politischer Bluff", mit dem er versuche, "die Chancen seiner Wiederwahl zu erhöhen." "Ein Mediencoup mit Bumerang-Effekt", notiertder Spiegel, denn selbst die konservative Presse verurteile dieses "taktische Manöver."

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