EU-Steuer: Idee aus der Wunschkiste

Der Vorschlag der EU-Kommission eine Europasteuer einzuführen, um den Etat der Union zu finanzieren, scheint attraktiv: vor allem für die Nettozahler. Doch, meint De Volkskrant, stößt sie auf den Widerstand der Mitgliedsstaaten, da diese einen Kompetenztransfer in einer solch sensiblen Materie mit Skepsis betrachten.

Veröffentlicht am 11 August 2010 um 14:39

Sind wir Europäer bereit, zehn Jahre nach Einführung der Gemeinschaftswährung, direkte Steuern nach Brüssel abzuführen? EU-Haushaltskommissar Janusz Lewandowski meint, dass es Zeit sei, diesen Schritt in Richtung eines föderalen Europas zu tun. In der Financial Times Deutschland wagte er diesen Vorstoß, doch hat sein Vorschlag kaum Chancen auf Erfolg.

Lewandowskis Köder, damit sich die Mitgliedsstaaten auf seine Seite schlagen, ist verlockend: Im Gegenzug zur Umleitung von Transaktions- und Luftverkehrssteuer in den EU-Haushalt reduziert Brüssel die Beiträge der Mitgliedsländer. Deutschland und den Niederlanden müsste ein derartiger Vorschlag gefallen. Seit Jahren sorgt die Tatsache, dass beide Länder Nettozahler sind, dauerhaft für Ärger. Zusätzlich zur Haushaltsdisziplin, zu der sie der Stabilitätspakt zwingt. Ein verringerter Beitrag in die EU-Kassen könne ihnen nur recht kommen.

Doch die Nachteile überwiegen. Für die Mitgliedsstaaten bedeutet eine direkte Steuerabgabe an Brüssel ein Kompetenzverlust in der Materie: Die steuerliche Belastung der Bürger hat nun einmal Grenzen, auch wenn diese vage sind. Darüber hinaus ist die Erhebung von Steuern das Vorrecht der nationalen Regierungen: "Gib Brüssel einen Finger, und die wollen die ganze Hand", sagt man sich wahrscheinlich schon in Großbritannien, wo man die Angst vor einem europäischen Superstaat schon mit der Muttermilch eingetrichtert bekommt. Andere Länder haben sich den Briten in dieser Frage angenähert. Vor allem die Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und den Niederlanden im Jahr 2005 hat in Europa zu einem Umdenken geführt.

Der Vorschlag des EU-Kommissars Lewandowski ignoriert völlig die wachsende Europa-Skepsis. Dass Brüssel immer noch dieser Vision nachhängt, hat aber weniger mit einer weltfremden Bürokratie zu tun, wie die Euroskeptiker gerne behaupten, als mit einer Überlebensstrategie. Brüssel antizipiert schon die kommende Haushaltsdebatte (für den Zeitraum 2014 bis 2021), die sich, aufgrund maroder Staatsfinanzen der Mitgliedsstaaten, als noch schwieriger als gewöhnlich ankündigt. Alternative Geldquellen könnten da eine Lösung sein. Wäre da nicht das wachsende Misstrauen der Mitgliedsstaaten gegenüber dem "mehr Europa". (js)

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Aus Deutschland

Steuer gegen Mitsprache

Eine zusätzliche Abgabe werde dem Steuerzahler gewiss nicht gefallen, notiert die Süddeutsche Zeitung. Dennoch würde "eine EU-Steuer keine zusätzliche Belastung darstellen", fügt die Tageszeitung hinzu und verweist darauf, "dass im Jahr 2010 jeder deutsche Bürger 260 Euro für den Brüsseler Etat überweist." Die Steuer könnte zudem zum Werkzeug einer Reform des EU-Haushalts werden, der Jahr für Jahr zum "Kuhhandel" zwischen den Mitgliedsstaaten ausarte. "Wenn die Bürger direkt für Europa zahlen, analysieren sie vielleicht genauer, wohin ihr Geld fließt. Sie fragen sich womöglich, warum im 21. Jahrhundert ein Großteil des Etats in die dominante Branche des 18. Jahrhunderts, der Landwirtschaft, fließt."

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