Renten “à la carte”

Veröffentlicht am 11 Juni 2010 um 15:59

Das Alter des Renteneintritts entwickelt sich in Europa zu einem der Hauptthemen. 65 Jahre ist die derzeitige Grenze in den meisten Ländern wie Deutschland, Irland und Spanien und dies ist auch die schicksalhafte Schwelle, die eigentlich überall herangezogen wird, vor allem in Ländern, wo das Rentenalter wie in Frankreich relativ niedrig ist. Die Frage stellt sich sogar mehr und mehr, das Rentenalter auf 67 Jahre anzuheben.

Diese Zahl treibt die Europäer auf die Straße. Weniger, um das Recht auf eine würdige Rente zu erhalten oder zu verteidigen, sondern eher für das Recht auf ein Leben. Der Gedankengang ist relativ einfach: Für viele von ihnen, vor allem im Osten des Kontinents, kommt das Rentenalter der durchschnittlichen Lebenserwartung ihres Landes nahe. Wie sollte man auch nicht eine Rente mit 67 Jahren fürchten, wenn die Lebenserwartung bei 68 liegt?

Die Reformvorschläge, die Aufruhr hervorrufen und in Bukarest, Lissabon und Athen zu Streiks führen, lässt die Schweden müde lächeln. "Wir haben an unserer Rentenreform acht Jahre lang von 1990 bis 1998 gearbeitet", erklärt Ole Settergren, Direktor der schwedischen Rentenbehörde. "Zuvor haben wir uns versichert, dass sie von allen Parteien unterstützt wird. Natürlich war die Reform nicht gern gesehen, aber sie wurde akzeptiert."

Wie so häufig, wenn die Dinge in Europa schlecht laufen – sei es nun die Bankenkrise der Subprimes oder die Reformen der Sozialsysteme – richten sich die Augen der EU auf das, was man "das perfekte Modell eines Wohlfahrtstaates" nennt: Schweden. Genau wie die anderen nördlichen Länder erfreut sich Schweden des Rufs, ein Land zu sein, in dem es sich "gut lebt". Wie ein rumänischer Journalist schrieb "wollen wir alle schwedisch sein".

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Das schwedische Rentensystem ist trotz seiner langen Vorbereitung einfach und logisch: Das Rentenalter liegt bei 61 Jahren und die Rente ist "à la carte". Diejenigen, die in diesem Alter aus dem Berufsleben ausscheiden, erhalten eine geringere Rente als diejenigen, die später in Rente gehen. Wer feststellt, dass seine Einkünfte nicht ausreichen, kann die Arbeit wieder aufnehmen. Die Höhe der Rente basiert auf den Gehältern, die insgesamt im Berufsleben verdient wurden und ist indexabhängig vom durchschnittlichen Gehalt, dessen Berechnung anhand der derzeitigen Lebenserwartung erstellt wird. Mehrere europäische Regierungsvertreter sind schon nach Stockholm gereist, um sich Ideen zu holen. Allerdings gibt es eine Art "Paradox des schwedischen Modells": Alle beneiden die Schweden darum, aber keiner übernimmt es tatsächlich. (sd)

Iulia Badea-Guéritée

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