Ideen Covid-19 vaccines

Warum wir eine Bürgerinitiative brauchen, um Impfstoff für alle zu bekommen

Mehr als ein Jahr nach Beginn der Pandemie hat das Coronavirus über drei Millionen Menschen getötet und die größte Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren verursacht. UNICEF warnt zudem vor einer verlorenen Generation, die, je nach Herkunft, an Unterernährung, fehlender Bildung, Angst und Unsicherheit leidet.

Veröffentlicht am 10 Mai 2021 um 12:19

Impfungen sind ein entscheidender Teil der Lösung zur Beendigung der Krise und ihrer verheerenden Folgen. Während die Europäer sehnsüchtig darauf warten, sicher in ihr bisheriges Leben zurückzukehren, ist das für die meisten Entwicklungsländer ein ferner Traum. Wenn sich nichts ändert am derzeitigen Impfstoffmangel, könnte es bis zum Jahr 2023 dauern, bis alle Menschen auf der Welt geimpft sind - und schlimmer noch, wir riskieren das Virus nie in den Griff zu bekommen, weil die aktuellen Impfstoffe gegen neue Varianten unwirksam sein könnten.

Es gäbe jedoch eine Lösung! Die Produktion von Impfstoffen könnte erhöht werden, indem man die Vakzine zu einem universellen, öffentlichen Gut macht. In Krisenzeiten sollte es selbstverständlich sein, geistige Eigentumsrechte vorübergehend außer Kraft zu setzen und allen vertrauenswürdigen Herstellern das Recht und das Wissen zu geben, Impfstoffe, Tests und Behandlungen in großem Maßstab weltweit schneller, einfacher und billiger herzustellen.

Dazu müsste die Europäische Kommission jedoch ganz anders mit den Pharmaunternehmen umgehen. Und genau hier liegt das Problem.

Laut dem Corporate Europe Observatory hat die European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations (EFPIA), Europas wichtigste Lobbygruppe der Big Pharma, allein im letzten Jahr  5,5 Millionen Euro für Lobbying-Aktivitäten ausgegeben. Eine lohnende Investition: Ihre Argumente, um einfach gesagt "die Patente in der Hand zu behalten und den Europäern die Verteilung von Impfstoffen zu überlassen", wurden von der Europäischen Kommission blind übernommen und stehen in krassem Gegensatz zum aktuellen Stand der Dinge.

Diese 'Selbstverpflichtung' hat sich als höchst naiv erwiesen. Die Weltgesundheitsorganisation dagegen hat eine Plattform eingerichtet, auf der Pharmafirmen ihr Wissen und ihre Eigentumsrechte teilen können. Dieser Ansatz hat bisher zum Beispiel dazu geführt, dass Medikamente gegen AIDS viel flächendeckender verfügbar wurden. Doch eine solche "Wissensdatenbank" gegen Corona gibt es noch nicht. Die Labore behalten die Technologie für sich, weil kein Vertrag sie dazu zwingt, es nicht zu tun.

Warum also sollten sie ihr Wissen teilen? Patente erlauben Unternehmen, die von ihnen entwickelten Produkte mit Gewinn zu verkaufen und zu kontrollieren, wer sie herstellen und vertreiben darf. Für sie ist die Pandemie ein gefundenes Fressen. Die People's Vaccine Alliance hat errechnet, dass Pfizer, Johnson & Johnson sowie AstraZeneca in den letzten 12 Monaten 26 Milliarden Dollar an Dividenden und Aktienrückkäufen an ihre Aktionäre ausgeschüttet haben - genug, um die gesamte Bevölkerung Afrikas zu impfen. Und Pfizer reicht das noch nicht. Das Unternehmen hat den Preis pro Dosis von 12,50 auf 19 Euro erhöht. 

Trotz des Versprechens, Impfstoffe für alle zur Verfügung zu stellen, macht die Europäische Kommission keine Anstalten, dies in die Tat umzusetzen. Wir rufen Europa und seine Mitgliedsstaaten daher dazu auf, sich den rund 100 Ländern und unzähligen zivilgesellschaftlichen Organisationen anzuschließen, die den temporären Patentverzicht unterstützen. Selbst die USA, ein notorischer Gegner solcher Maßnahmen, haben sich nun den Befürwortern angeschlossen. 

Doch Europa wird sich nicht von alleine überzeugen lassen. Angesichts der enormen Finanzmacht von "Big Pharma" müssen wir die Macht der Bürger stärken. Die Europäische Bürgerinitiative ist eine der offiziellen Methoden, europäische Politik direkt zu beeinflussen. Dank dieses Instruments ist die Europäische Kommission dazu verpflichtet, auf die Forderungen der Bürger zu reagieren, sobald 1 Million Unterschriften gesammelt wurden.

Die Initiative "No Profit on Pandemic" fordert die Europäische Kommission auf, Corona-Impfstoffe und -Behandlungen zu einem universellen Allgemeingut zu machen, und verlangt absolute Transparenz über die Verhandlungen, Einkaufspreise und Produktionskosten. Unsere Bewegung zählt bereits über 350 europäische Gewerkschaften, Gesundheitsverbände und NGOs, sowie 175.000 europäische Bürger. Eine europaweite Mobilisierung ist notwendig, um den Lauf der Geschichte zu ändern. Profite sind ein Hindernis für den Schutz der Sicherheit der Weltbevölkerung und der Zukunft ganzer Generationen. Aber, wir können das ändern!

Alle EU-Bürger können die Europäische Bürgerinitiative noprofitonpandemic.eu hier  unterzeichnen

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